Bilder und Worte
The Path
shinayne | 21. Januar 10 | Topic 'Spiele'
Medien sind Medien, und was ein Medium ist verbreitet Kunst, oder Geister, oder beides, richtig? Und Computerspiele sind ein Medium, oder werden jedenfalls immer mehr als solches beworben, von denen, die sie mögen.
Ob das jetzt im Einzelfall nun stimmen mag oder nicht, ich hatte eine Begegnung mit einem Spiel, das Kunst sein könnte, oder eben beides nicht.

The Path gibt es für 7,90 € auf Steam und ist das, was man ein Indie-Spiel nennt, glaube ich. Es ist eine Wohnzimmerproduktion von zwei Leuten, und reißt technisch weder Bäume noch Grafikkarten aus. Ok, die Technik ist nicht der Kunstaspekt, auf den ich hinaus will, wirklich nicht.

Die Kunst daran ist die Präsentation einer Geschichte, einer der einfachsten und doch (zumindest für mich) bedeutsamsten des Geschichtenfundus unserer Kultur: Das Märchen vom Rotkäppchen. Über dessen Geschichte, Überlieferung, Symbolik und Bedeutung kann man Bücher füllen, und hat das auch getan.

Und diese Geschichte soll nun erzählt werden, man spielt eine von sechs Rotkäppchen, die eben mit Wein und Kuchen zu Großmutter sollen. Do not leave the Path.
Jedes der sechs Mädchen hat eine ganz eigene Geschichte. Sie verlassen den Pfad, treffen vielleicht einen Wolf und landen am Ende in Großmutters Haus. Was auch sonst?

Jedes Mädchen hat einen eigenen Wolf, und die Hütte sieht jedes Mal anders aus, abhängig davon, was das Mädchen im Wald getrieben hat. Und dort gibt es, wenn man weiß, wie man sucht, viel zu finden. Nämlich genau die Dinge, die das Rotkäppchen charakterisieren, worüber man es kennenlernen kann, um es und vielleicht auch seinen Wolf zu verstehen.

Das wars auch schon, nur darum geht es.
Nun ist schon oft, und sehr schlüssig, argumentiert worden, es sei kein Spiel. Ist es auch eigentlich nicht. Es gibt keine Schwierigkeit, nichts, was man zu überwinden hätte, außer dem Hang, sich zu verlaufen. Es gibt keine Waffen und keinen Lebensbalken. Es gibt keine Kämpfe und keine Rätsel, außer halt der Geschichte selber.
Es gibt ein Inventar, aber da werden nur Symbole abgelegt.

Aber es ist eine Horrorgeschichte, denn der Wolf ist eine Bedrohung. Vielleicht.
Ich habe noch keinen Computergegner, und sei er noch so monströs, so sehr als Bedrohung empfunden wie die Darstellung dieser Wölfe, die meinem nicht vorhandenen Lebensbalken nichts anhaben könnten. Nur durch die Atmosphäre des Waldes, die Musik, und die Implikationen, die das Zusammentreffen mit ihnen für die Figuren hat. Und, soviel sei gespoilert, das Haus der Großmutter, wo man nach der Begegnung landet, ist schlimmer.

Wer Horrorgeschichten und abgefahrene Kunstprojekte mag, und über Geduld verfügt, sollte sich das vielleicht mal ansehen.

Was auch immer es ist. Es tatsächlich eine der besten Rotkäppchenumsetzungen, die ich kenne, und mit Abstand die interessanteste. Die Geschichte ist alt, das sind die besten, und es wird von einem neuen Medium erzählt, dass in solchen Dingen doch nicht so geübt ist, wie man denkt.
Es handelt von dem Märchen, von Menschen und vom Leben und beeinhaltet dabei eine sehr große Portion Selbstreferenz und Ironie, bei aller Ernsthaftigkeit.

Was es nun sein mag: Auf diese Weise hat mir noch nie jemand eine Geschichte erzählt.