Bilder und Worte
Dezidiert dezidieren
shinayne | 20. Januar 10
... Und da scheue ich mich noch.
Ich scheue mich einfach, in meinen Arbeiten völlig unnötige Fremdworte zu gebrauchen, weil ich immer den Eindruck habe, das klingt, als wollte ich schlauer klingen, als ich bin.

Ich meine, klar, viele dieser Worte schleichen sich einfach so ein, die fallen mir als erstes ein und sind irgendwie einfacher. Aber das heißt doch, dass ich mich schlechter ausdrücken kann, nicht besser, oder?
Wenn ich besser wäre, würd ich so einen Firlefanz, und das ist es häufig, garnicht brauchen.

Aber nachdem ich mich wieder einmal durch einen Wust sekundärliteratur gelesen habe, weiß ich, warum ich damit so infiziert bin. Germanisten schreiben so.
Warum?
Viele Verfasser dieser Arbeiten haben ihren Professortitel schon, die müssen doch nicht mehr schlau erscheinen, niemanden mehr beeindrucken. Die müssen doch auch nicht so schreiben, dass es ja kein Fachfremder versteht, weil Fachfremde das Zeug eh niemals lesen. So langweilig kann niemandem sein.
Dozenten schreiben mir Beurteilungen, in genau dem gleichen sprachlichen Gestus. Die haben gerade meine Arbeit korrigiert! Wieso sollten sie mich beeindrucken wollen!?

Nein, eigentlich ist es ja anders. Die wollen natürlich niemanden beeindrucken, die schreiben einfach so. Der Virus hat sich in ihr Gehirn gefressen, und sie halten das für den natürlichen Sprachgebrauch. Ich kenn Leute, die reden sogar so.

Dass ich sie verstehe, wirft ein sehr zweifelhaftes Licht auf mich, oder nicht?

Auf jeden Fall sehe ich irgendwie meinen Weg vorgezeichnet:

Ich werde älter und älter, meine Semesterzahl und meine Zahl der Anschläge an der Tastatur steigen ins unermessliche und ich merke am Ende auch nicht mehr, wenn ich von Kohärenzen statt von Zusammenhängen schreibe.

Und wenn mir irgendwann "dezidiert" nicht mehr als eine gezwungene, gesteltzte Krankheit vorkommt, dann bin ich, was ich versuche zu werden. Ein Germanist.

Das haben die mir bei der Studienberatung nicht gesagt...